Im letzten Jahr durfte ich Charles Bahr kennen lernen. Obwohl er nur halb so alt ist, wie ich, ist er bereits Chef seiner eigenen Influencer Agentur und das mit nur 16 Jahren. Wo andere eine Ausbildung suchen, hat er seinen Weg bereits gefunden und hilft Unternehmen seinesgleichen anzusprechen. Welche Ansatzpunkte und auch welche Themen er im Azubimarketing 2019 sieht, hat er mir im Interview verraten!
Charles, das neue Jahr steht vor der Tür. Welcher Trend / welches soziale Netzwerk hat für dich 2018 geprägt und warum?
Realness über Qualität. Ich habe besonders zum Ende des Jahres viel Zeit selbst mit Influencern verbracht, war teilweise mein gesamtes Wochenende mit Influencern auf Tour durch verschiedene Städte zu Community-Events.
Gutes Beispiel dafür ist Tina Neumann, eine gute Bekannte von mir. Sie ist selbst erst 16 Jahre alt, hauptberuflich Influencerin, man kann davon halten was man möchte – aber wenn sie ein Video macht, indem sie öffentlich macht, dass sie raucht (mittlerweile hat sie es geschafft, aufzuhören) und einen so intimen Aspekt ihrer doch sehr jungen Zielgruppe öffentlich macht, zeigt es, dass in vielen Fällen Influencer einfach nahezu 100% ihres Lebens echt und ungefiltert preisgeben müssen. Das Video hat mittlerweile übrigens mehr als 100.000 Aufrufe. Wenn man dann nachts um 1 Uhr noch bei McDonalds sich etwas zu essen holt oder früh morgens noch ungeschminkt & fertig aussieht, dann wird das trotzdem gepostet. Ich glaube, dass viele Unternehmen sich diese Mentalität aufgrund ihrer Corporate Guidelines nicht leisten können, aber dennoch eine Scheibe von abschneiden können.
Wie du weißt, beschäftigen sich team-hr.de mit dem Themen Employer Branding und Personalmarketing. Du stehst schon mitten im Job, aber viele in deinem Alter sind gerade in der Berufsfindungsphase. Wie gehen deine Freunde vor, um für sich herauszufinden, welcher Job, welche Ausbildung oder welches Studium für sie das richtige ist? Welche Rolle spielen soziale Medien dabei?
Ich bin der festen Überzeugung, dass es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden ist, Teenager über herkömmliche Maßnahmen zu erreichen. Wir sitzen oft bei großen Marken mit Milliardenumsätzen, die es aufgrund ihres Images einfach nicht schaffen, alle Ausbildungsplätze zu besetzen. Wenn man sie dann nach ihrem Social-Media-Auftritt fragt, kommt da vielleicht eine minder gepflegte Facebook-Seite oder mit viel Glück ein Instagram-Account gefüllt mit Stock Footage zum Vorschein.
Die Filterblase eines Teenagers muss in der Kreation von HR-Kampagnen einfach einen noch viel höheren Stellenwert haben, denn nur so können inhaltlich kreative, glaubwürdige und dennoch anfassbare Kampagnen kreiert werden. Aktuell sind die sozialen Medien primärer Bezugspunkt für Jugendliche, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Welche Apps nutzt du persönlich am liebsten und warum?
Laut der „Bildschirmzeit“-Einstellung auf meinem Smartphone verbringe ich die mit Abstand meiste Zeit auf Instagram. Das hat mich besonders verwundert, weil die Plattform ja eigentlich nur Snack-Content veröffentlicht und dadurch eigentlich nicht wirklich so hohe Nutzungszeiten haben sollte. Daraufhin habe ich meine eigene Nutzung ein wenig mehr hinterfragt (was ich immer noch Tag für Tag tue) und festgestellt, dass ich Instagram vor allem auch als Messenger nutze. Gerade, um mal zwischendurch kleine Eindrücke in Form von Bildern oder Videos zu verschicken oder mit Menschen in Kontakt zu treten, die man vielleicht noch nicht so richtig gut kennt, ist Instagram eine super Möglichkeit.
Ansonsten, persönlich, kann ich eigentlich nur noch Nuzzel empfehlen, dort kann man sich mit all seinen Social-Media-Accounts einloggen & es zeigt einem die Top-Stories des jeweiligen Tages. So kann man selbst in wenigen Minuten die wesentlichen Nachrichten konsumieren und bleibt auf dem neusten Stand.
In einem Interview mit zeit.de hast du gesagt, Medien wie Podcasts oder Snapchat eignen sich, um eine jüngere Zielgruppe zu erreichen. Das war Anfang 2018 – was würdest du hier heute empfehlen?
Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass diese Medien weiter und weiter im Kommen sind. Wir führen bei tubeconnect regelmäßig Fokusgruppen auch mit der ganz jungen Gen Z durch (9-12 Jahre), einfach um immer auf dem neusten Stand zu bleiben. Da kommt Snapchat immer noch als relevantes Medium, gerade bei den Mädels als Ergebnis. Podcasts sind glaube ich (noch) kein Massenmedium, da wird sich in 2019 zeigen, ob es auch bei Jugendlichen einen Hype auslösen kann. Für mich persönlich sind Podcasts super und total informativ, aber in vielen Fällen ist die Aufmerksamkeitsspanne eines Teenagers vielleicht einfach zu gering, um sich 45 Minuten lang mit dem gleichen Thema zu beschäftigen.
Welche drei Tipps würdest du Unternehmen mitgeben, wenn sich diese in sozialen Medien als Ausbilder präsentieren wollen?
Wir entwickeln bei tubeconnect gerade in einer Expertengruppe einen Kodex, der den Auftritt von Unternehmen mit der „Brille der Generation Z“ bewerten soll – er steht allerdings noch in den Startlöchern. Für mich sind drei Dinge wesentlich:
– Brand Values: Sind die Werte der eigenen Marke sowohl grafisch als auch inhaltlich vertreten? Oft werden Influencer / Social Media Kampagnen durchgeführt, die vielleicht super coole Inhalte generieren, aber am Ende keinerlei Bezugspunkt mit der eigenen Marke haben und die Verbindung für den Endkonsumenten somit schnell verloren geht.
– Plattform / Basis: Sind überhaupt die richtigen Netzwerke / Medien als Basis ausgewählt? Facebook ist oft noch Budgetfresser Nummer 1, einfach nur weil man dort die Zielgruppe 13-17 Jahre auswählen kann, was nicht gleich heißt, dass man sie dort auch taktisch klug erreicht. Vor allem bedeutet es aber auch, die Regeln der einzelnen Netzwerke zu respektieren. Das geht von „nur hochkant“ auf Instagram Story & Snapchat bis hin zu den tatsächlichen Nutzungsgewohnheiten, die aussagen, welche Elemente z. B. In einem authentischen Snapchat Content-Piece integriert sein müssen.
– Content Quality & Authenticity: Die Inhalte müssen passend zur Plattform und gleichzeitig irgendwie cool und trotzdem nahbar kreiert werden. Oft ist ein mit dem Handy gefilmtes Video zwar nicht mit einer dem eines erfahrenen Produktionsteams und einer Spiegelreflexkamera zu vergleichen, es kann allerdings auf Jugendliche einen ganz anderen Einfluss haben. Denn wenn das Video dem ähnelt, was man sowieso auf diesem sozialen Netzwerk sieht, dann hat es gleich eine andere Wirkung und fühlt sich „gewohnter“ und nicht nach deplatzierter, unglaubwürdiger Werbung an.
Du bist Marketing-Profi, leitest deine eigene Marketing-Agentur – was ist für dich DAS Thema 2019?
Definitv Transparenz. Ich hab so nach einem Jahr mit
intensivem Kundenkontakt das Gefühl, dass die allermeisten Kunden von ihren
Agenturen einfach absolut über den Tisch gezogen werden – auch wenn das böse
klingt. Mittlerweile immer mehr, aber es gibt immer noch keine
brancheneinheitlichen TKPs oder Preise, die man zahlt. Man muss es immer
individuell verhandeln. Und oft ist es keine Seltenheit, dass eine Agentur so
eine Marge von bis zu 50 Prozent bei einer sechsstelligen Kampagne hat.
Als ich das im Markt festgestellt habe, war für uns klar, dass wir da mehr
Klarsicht reinbringen wollen. Bei uns sind Mediakosten, Produktionskosten und
das Agenturhonorar auf Wunsch des Kunden immer getrennt aufgelistet, einfach um
Transparenz zu schaffen und zu zeigen, dass wir da bewusst und gerne mit fairen
Mitteln arbeiten.
Noch eine persönliche Frage: Du gehst noch zur Schule und leitest nebenbei deine eigene Marketing-Agentur. Was rätst du Unternehmen, die Nachwuchs suchen, in Bezug auf die Auswahl der Kandidaten? Wie wichtig sind der Lebenslauf und die berufliche Ausbildung in Zukunft?
Von keinem derjenigen, die bei uns im Team sind, habe ich mir jemals einen Lebenslauf schicken oder ein Zeugnis vorzeigen lassen. Ich habe immer noch viel Kontakt mit Freunden, die ganz normal fünf Tage die Woche zur Schule gehen und wenig Produktives nebenbei machen, und die machen sich total Gedanken um ihr Abitur, ihr Studium und ihren Abschluss. Es klingt doof und ich glaube, dass für viele Jobs z. B. Abitur immer noch notwendig ist, aber am Ende lernen wir 12 oder 13 Jahre dafür, dass wir ein Blatt mit ein paar Ziffern drauf erhalten, die dann einen massiven Einfluss auf unsere Zukunft haben – und das finde ich einfach absurd.
Viele aus unserem Team sind einfach am Anfang extrem lernfähig und motiviert dazu gekommen und haben jetzt stark ausgeprägte Fähigkeiten im Präsentieren, im Umfeld der Werbebranche oder in der Erstellung von Keynotes. Und das ganz ohne Abschluss – deshalb glaube ich, dass man das nicht immer ganz so nüchtern betrachten sollte.
Danke für das Interview Charles! Es hat uns wirklich sehr viel Spaß gemacht!